Migration in Deutschland  “Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen”   Max Frisch - Schweizer Schriftsteller Die Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften von 1955 bis 1973  "Am 10. November 1954 überraschte die Tageszeitung “Hamburger Echo” ihre Leser mit  der Schlagzeile: ‚Fremdarbeiter statt Rekruten.' Der Bundeswirtschaftsminister Ehrhardt  habe mit dem italienischen Außenminister über die Möglichkeit der Zulassung von  100.000-200.000 insbesondere landwirtschaftlichen Arbeitern aus Italien in der  Bundesrepublik verhandelt, da durch die beginnende Rüstungsproduktion und die  Einbeziehung der ersten militärpflichtigen Jahrgänge in der Bundesrepublik bald mit  einem Arbeitskräftedefizit zu rechnen sei. Diese Ankündigung stieß vor allem bei  Gewerkschaften und Vertriebenenverbänden, aber auch beim Arbeitsministerium auf  Verwunderung, wurden doch 1954 noch 7 %, also über 1 Million, Arbeitslose gemeldet."   (Ulrich Herbert in - Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland-bpb 2003, Band 410)   Weshalb dennoch am 22. Dezember 1955 ein Anwerbeabkommen mit Italien  abgeschlossen wurde, hatte unterschiedliche Gründe. Ein wesentlicher Grund lag darin, so Herbert, dass die Entwicklung des  Arbeitsmarktes in den einzelnen Regionen stark unterschiedlich war. Während es  in Schleswig Holstein eine Arbeitslosenquote von 11 % gab, lag diese Quote in  Baden-Württemberg bei 2,2 %.   Durch den Wirtschaftsboom ("Wirtschaftswunder") wurden vermehrt ungelernte  Arbeitskräfte gesucht. In den Unternehmen entstand somit ein großer  Konkurrenzdruck, insbesondere bei den Lohnzugeständnissen. Auch durch den regionalen Arbeitskräftemangel entstand Konkurrenzdruck bei der  Suche nach Arbeitskräften in den Unternehmen.  Der Anwerbevertrag mit Italien war der erste seiner Art der BRD. Weitere  Anwerbeverträge mit Griechenland (1960), Spanien (1960), Türkei (1961), Portugal  (1964), Marokko (1965), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968) folgten.   Abgesehen hiervon gab es weitere Gründe, weshalb die Anwerbepolitik der BRD verstärkt  wurde. Sie können stichwortartig wie folgt beschrieben werden: Das Rotationsprinzip Verlängerung der Ausbildungsdauer Senkung des Rentenalters Mauerbau Anwerbestopp Das Rotationsprinzip Ursprünglich war vorgesehen, die angeworbenen Arbeitskräfte für eine begrenzte Zeit in  der BRD zu beschäftigen und sie dann in ihre Heimat zurückzuschicken  (Rotationsprinzip). In dem Anwerbeabkommen zwischen der BRD und der Türkei wurde  die maximale Aufenthaltsdauer der so genannten Gastarbeiter auf maximal zwei Jahre  begrenzt.  In der Praxis ließ sich dieses Prinzip jedoch nicht einhalten. Dafür gab es zwei  wesentliche Gründe: -   Die Unternehmen wollten die eingearbeiteten Arbeitskräfte behalten. Ständig        neue Einarbeitungszeiten verursachten den Unternehmen zusätzliche Kosten.  -   Viele Gastarbeiter entschlossen sich, ihre Familienangehörigen nachziehen zu        lassen. 1953 - Verlängerung der Ausbildungsdauer Die Berufsausbildung in Deutschland erfuhr 1953 eine umfassende Neuregelung  insbesondere in der Handwerksordnung. Die Ausbildungsdauer wurde verlängert,  wodurch anfangs dem Arbeitsmarkt reguläre Arbeitskräfte entzogen wurden.   1957 - Senkung des Rentenalters Mit der Rentenreform von 1957 wurde erstmals eine umfassende Regelung der  Rentenversicherung eingeführt. Das Rentenalter wurde herabgesetzt, Angestellte und  Arbeiter wurden rechtlich gleichgestellt und die Rentenfinanzierung neu geregelt.  Mit dieser Reform wird auch der Begriff des Generationenvertrages eingeführt.   1961 - Mauerbau   Der Zuzug von Arbeitskräften aus Ostdeutschland wurde durch den Mauerbau am  13. August 1961 gestoppt.    1973 Anwerbestopp Die Staaten der OPEC (Organization of the Petroleum Exporting Countries /  Organisationen der erdölexportierenden Länder) beschlossen einen Ölboykott, um  den Westen dazu zu bewegen, dass sich Israel aus den Gebieten, die es im  Sechstagekrieg besetzt hatte, zurückzieht.   Der Ölboykott (Ölkrise) im Jahr 1973 trifft die BRD sehr hart und führt zu einer  Wirtschaftskrise. Die Wirtschaft war zu der damaligen Zeit zu mehr als 50 % von  Erdöleinfuhren aus den arabischen Staaten abhängig. Am 9. November 1973 verabschiedet der Bundestag ein Gesetz zur Einsparung  von Erdöl. Der damalige Wirtschaftsminister Friderichs verhängt Fahrverbote. An  vier Wochenenden durften in der BRD keine Autos auf den Straßen fahren.  Darüber hinaus beschloss die Bundesregierung, dass die Anwerbung von  Arbeitskräften aus dem Ausland eingestellt wird (Anwerbestopp). Größere Versäumnisse bestehen meines Erachtens unter anderem darin, das  Rotationsprinzip ("Die Gastarbeiter bleiben nur für zwei Jahre") aus politischen Gründen  beizubehalten. Ein Grund war zum Beispiel darauf zu beharren, dass die Gastarbeiter  wieder in ihr Heimatland gehen, damit die passive Ausländerfeindlichkeit der Bevölkerung  nicht aktiviert wird. Beim späteren Zuzug der Familienangehörigen fehlte der Mut,  Konzepte für die Integration der Migrantenfamilien zu entwickeln.   “Ölkrise” 1973 Fahrverbot an vier Sonntagen